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Buchcover: "Maror" von Lavie Tidhar

Krimicheck

"Maror" von Lavie Tidhar

Stand: 10.05.2024, 14:54 Uhr

Israelische Geschichte als blut- und drogengeschwängerter Noir-Krimi? Der preisgekrönte Autor Lavie Tidhar nimmt keine Gefangenen in seinem Thriller "Maror".

Moralischer Verfall als Nervenkitzel. Totale Korruption als Normalzustand einer Gesellschaft. Dazu haufenweise Tote, Drogen, Waffen aller Art und Action in hoher Frequenz: Das ist das Rezept, aus dem Cornell Woolrich, Jim Thompson und später James Ellroy das Genre des Noir-Krimis zusammenrührten. Das Ziel: die Ammenmärchen vom amerikanischen Traum, sie sollten auf den Müllhaufen der Geschichte befördert werden.

Lavie Tidhar, ein Star der Science Fiction und Fantasy-Literatur, hat sich von diesen Vorbildern inspirieren lassen zu einer auf drei Bände angelegten Noir-Serie. Das Programm ist dasselbe, aber Tidhar erzählt von Israel.

Im Zentrum von "Maror", dem ersten Band der Serie: Chief Inspector Cohen, ein Mann, der gern die Bibel zitiert und dessen Job es ist, die Beziehungen zwischen Politik, Business, organisierter Kriminalität und Polizei, sagen wir, auszubalancieren. Für Israel, den jungen Staat, der von Feinden umgeben ist. Und mit allen Mitteln. Cohen ist das Hirn, Avi Sagi eines seiner ausführenden Organe. Ein korrupter Cop, jederzeit randvoll mit Drogen, hoffnungslos kompromittiert, erpressbar.

Lavie Tidhar jagt seine beiden Antihelden durch fast drei Jahrzehnte israelischer Geschichte, von 1974 bis 2008. Er erzählt atemlos von brutaler Gewalt, Rücksichtslosigkeit und Opportunismus. Von Gangs und Autobomben, Geheimdiensten und Mordanschlägen, Drogen und Sex. Vor allem aber erzählt Lavie Tidhar von einem Land, in dem Ideale keine lange Halbwertszeit haben und in dem viele für Geld und Macht über Leichen gehen. Von einem Land also wie alle andern. Das zu erkennen, darum geht es.

Eine Rezension von Uli Hufen

Literaturangaben:
Lavie Tidhar: Maror
Aus dem Englischen von Conny Lösch
Herausgegeben von Thomas Wörtche
Suhrkamp Verlag, 2024
639 Seiten, 22 Euro